Die Mamiya 645 und Nachtphotographie

Nach über einem Jahr habe mit der Mamiya 645 PRO habe ich sie nun wieder verkauft und kehre dem Format 6x4,5 den Rücken. Ich will allerdings ein wenig darauf eingehen, in wie weit sich die Mamiya 645 für Langzeit- und Nachtphotographie eignet und einen kleinen Erfahrungsbericht online stellen.

Technische Eckdaten: Die Mamiya 645 in der PRO-Ausführung ist eine 6x4,5 Mittelformatkamera, die als modulares System aufgebaut ist. Magazin, Sucher, Mattscheibe, Winder, Objektiv. Magazin, Winder und Sucher lassen sich jeweils nur zwischen den neuen Modellen (Super, 645E, PRO, PRO TL) oder den alten (645, 645J, 645 1000S) wechseln.

Bei mir in Benutzung war die 645 PRO mit dem AE-Prisma Sucher FK402 / Lichtschachtsucher, dem Mamiya 645 45mm f/2.8 Weitwinkelobjektiv und einem 110mm 2.8 für Portraits.

Adaptierung von Fremdobjektiven

Problemlos lassen sich 6x6 Objektive per Adapter an der M645 verwenden. Bei mir im Einsatz waren mit einem Pentacon Six Adapter das Carl Zeiss Biometar 80mm f/2.8. Mit einem weiteren Adapter von Kiev Salyut auf P6 gingen noch weitere verschiedene Kiev 88 Linsen. Insbesondere das Arsat/Zodiac 30mm Fisheye ist genial.

Einziges Manko, alle adaptierten Objektive müssen mit Arbeitsblende betrieben werden, Springblende funktioniert natürlich nur bei den Mamiyas. Belichtungsmessung mit entsprechenden Prismen ist dabei jedoch kein Problem, während bei Originalobjektiven ein Blendenhebel die momentan ausgewählte Blende an Kamera und Prisma weitergibt, wird ohne Verwendung des Blendenhebels von der Kamera bzw. dem Prisma das einkommende Licht einfach ohne Umrechnen gemessen.

Ärgernisse

Es fehlt ein Anschluss für einen herkömlichen Kabelauslöser. Stattdessen verbaute Mamiya eine ziemlich primitive Steckvorrichtung mit vier Pins an die ein teures Mamiya-Elektromagnetikauslösekabel angeschlossen werden kann. Der Vorteil dieser technischen Weiterentwicklung hält sich stark in Grenzen und die Kabel sind teuer, sowie schwer zu bekommen. Abhilfe schafft ein ein simpler Plastik-Aufsteckadapter der nichts anderes tut als ein Gewinde zum Anschrauben eines Kabelauslösers zu bieten und Kontakt zwischen Pin 1 und Pin 3 herstellt. Könnte man mit Leben, wenn die Adapter nicht fast so viel kosten wie die Kabel und gleich selten anzutreffen sind. Für mich insgesamt ein grober Designfehler.

Der Lichtschachtsucher ist grausam. Im direkten Vergleich zur Pentacon Six oder Kiev 88 ist die Vergrößerung der Lupe kleiner und die klappbaren Schachtbegrenzungen irgendwie störender. Mit dem Lichtschacht der M645 fällt mir das ausrichten bedeutend schwerer als mit jedem anderen. Wirklich an einem Merkmal alleine festmachen kann ich es nicht, es ist mehr eine sehr subjektiv empfundene Abneigung.

Erfahrungen in der Praxis

Gewicht und Packmaß für sind für eine 6x4,5 Mittelformatkamera mit Prisma angenehm klein. Zum Verstauen im Kamerarucksack schnell das Prisma abnehmen und fertig. Vor Ort angekommen lediglich fix das Prisma wieder einrasten, die Kamera mit Schnellwechselplatte aufs Stativ klemmen und man kann direkt loslegen. Das vergleichsweise geringe Gewicht ist besonders praktisch beim Wandern. In den Blitzschuh an der linken Seite lässt sich angenehm eine Wasserwaage mit zwei oder drei Libellen setzen und der Horizont perfekt gerade ausrichten. Der Kabelauslöseadapter hat ärgerlicherweise seinen Anschluss in Richtung Objektiv, aber das lässt sich verkraften (selbst bei riesigen Objektiven wie einem 30mm Fisheye stößt nichts an).

Praktisch bei Portraits jedoch bei Landschafts- und Nachtphotographie eher zu vernachlässigen ist die Möglichkeit Magazineinsätze innerhalb weniger Sekunden auszutauschen und so Filme schon vorher auf bereitgelegte Einsätze aufzuspulen. So muss man nicht jedes Mal ein Magazin umständlich neu laden oder um das zu verhindern ein mehrere teure Magazine kaufen.

Der riesige und enorme Pluspunkt dieser Kamera bei der Nachtphotographie ist das Mamiya 45mm 2.8 Weitwinkel. Mit Blende 2.8 hat man ein ausreichend helles Sucherbild um mit ein Minimum an Beleuchtung noch etwas durch den Sucher erkennen zu können.

Insbesondere auch die Eigenschaft aller Mamiya-Objektive für die 645er, dass ein Fokusring auf Anschlag die unendlich-Eintellung markiert und nicht darüber hinausgeht (um beispielsweise Ausdehnung der Materialien unter Hitzeeinfluss zu kompensieren) ist mir extrem wichtig zu bemerken. Ohne diesen Komfort müsste man nach jedem bewegen des Stativs kontrollieren ob man nicht unabsichtlich gegen den Fokusring stieß und an einer hellen Lichtquelle im Bild (die es manchmal einfach nicht gibt) wieder den Fokus kontrollieren.

Mit dem Blende 2.8 und Portra 160VC komme ich bei annährend voll aufgegangendem Vollmond meist auf Belichtungszeiten um die 8 bis 16 Minuten. Das ermöglicht so schnell und effektiv zu arbeiten wie mit kaum einer anderen Mittelformatkamera bei solchen Lichtsituationen. Bei solch geringer Belichtungszeit ist es nicht weiter tragisch mal einen Frame zu verlieren, man kann es sich zeitlich ruhig leisten nochmal einen auf Reserve zu belichten.

Fazit

Ich werde die Mamiya 645 vermissen, keine andere Kamera die ich bisher benutzt habe ist so einfach in der Handhabung gewesen. Sie verzeiht beinahe jeden Bedienungsfehler und  ist angenehm unkompliziert. Andererseits, was zu Einfach ist hat keinen Charme. Jetzt lieber erstmal mit der Pentacon Six rumwursteln die bei jedem zweiten Bild rumspackt...